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Neues Kochbuch

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Titel:

Luise Schäfers neues Kochbuch für die bürgerliche und die feine Küche.

 

Autor:

Luise Schäfer

 

Erscheinungsort und Jahr:

Stuttgart, um 1906

 

Zum Inhalt:

Der Untertitel gibt es schon vor: "Über 2000 auf eigene Erfahrung gegründete Rezepte".
Die Rezepte sind nach Speisen sortiert und im hinteren Teil mit einem Register leicht nachschlagbar. An die Rezepte schließen sich einige kurze Artikel zum Thema "Tranchieren", zu Kücheneinrichtung und -geräten und zum Anrichten an.

 

Erster Satz:

"In Luise Schäfers praktischem Kochbuch, das hiermit zum viertenmal in neuer vermehrter und verbesserter Bearbeitung erscheint, findet sowohl die angehende als auch die erfahrene Köchin in allen Fällen Rat und Hilfe durch einen reichen und wertvollen Schatz von weit über 2000 erprobten Rezepten."

Anmerkungen:
Ausdrücklich umfassen die 2000 Rezepte nicht nur Gerichte der einfachen, bürgerlichen Küche, sondern auch der feinen Küche. Interessanterweise sind die Rezepte für 6-8 Personen ausgelegt: Die Normierung, Rezepte für 4 Personen zu berechnen, setzt sich erst am Anfang des 20. Jahrhunderts langsam durch.

 

Trotz der hohen Anzahl an Rezepten haben die Speisen einen klaren schwäbischen Einschlag. Neben den typischen, deftigen Nirle, Haferbrei und Dampfnudeln tauchen aber auch die feinen Rezepte mit exotischeren Zutaten auf: Das richtige Vor- und zubereiten von Feigen, Ananas und Melonen wird ausführlich beschrieben - auch wenn "Melonen in Essig" zunächst nicht wie ein "Must have" klingt... 

 

Zum Thema Backen:

Das Backkapitel ist auch sehr umfangreich und in verschiedene Abschnitte gegliedert: Hefebackwerk, Kleinbackwerk, Torten- und Kuchenbäckerei. Ein besonderes Schätzchen ist der "Blitzkuchen", den ich bald ausprobieren muss (nicht von Luise Schäfer).

 

Über solche Einschübe freue ich mich immer besonders. Sie zeigen, dass das Buch wirklich benutzt wurde und im Back- und Kochalltag der Besitzer einen hohen Stellenwert hatten. Dieses Exemplar hat im Inneren des Buchdeckels noch dazu genau aufgelistet, wer das Buch wann und von wem erhalten hat - herrlich!

 

Das besondere Kapitel:

Der letzte Abschnitt zeigt sehr eindrücklich, dass die Lebensgewohnheiten zum Veröffentlichungsjahr noch andere waren. Nach verschiedenen Speisezetteln folgt diese Anleitung:

 

Buffet bei einem Hausball für 100 Personen

6 runde Platten: 2 Platten gesulzte Zunge, 2 Platten Salm- oder Hummermayonnaise, 2 Platten Hühnermayonnaise

9 lange Platten: 2 Platten Pasteten, 2 Platten Rehziemerbraten, 1 Platte gesulzter Welschhahn, 2 Platten Fasanen, 2 Platten gefüllter Wildschweinkopf

8 Salate: 2 Kartoffelsalate, 2 gemischte Salate, 2 italienische Salate, 2 Gemüsesalate

8 Gelee und Creme: 2 Schokoladencreme, 2 Vanillecreme, 1 Erdbeer- oder Himbeercreme, 2 Früchtegelee, 1 Rheinweingelee

8 Kompotte: 2 Apfelkompott mit Gelee, 2 gemischtes Kompott, 2 Birnenkompott, 2 Orangenkompott

10 große Torten: 2 Maraschinotorten, 2 gefüllte Haselnusstorten, 2 Punschtorten, 2 Gugelhupf mit Vanille und 2 mit Schokolade glasiert, 2 Aprikosen, Rahm- oder Apfelkuchen

4 Platten mit verschiedenem Backwerk

12 Teller kleines Dessert

 

Während des Tanzens serviert man: Gefrorenes, Limonade, Himbeerwasser, Mandelmilch, später Pilsener Bier oder Punsch, zuletzt wird Kaffee getrunken.

 

Die Damen und Herren der Jahrhundertwende wussten zu feiern!

Ich halte es dann wohl eher mit dem Damentee oder der Kaffeevisite.

 

Übrigens: Viele bürgerliche Kochbücher um 1900 beinhalten Speisepläne für Festtafeln und Feiern, die sich die Zielgruppe des Buches, das einfache Bürgertum, niemals leisten konnte. Es vermittelte aber den Eindruck, dazuzugehören zu den oberen Zehntausend.


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