Luise Herzog: Die Apfelkuchen-Challenge

in Kooperation mit

Dem ersten Treffen mit den Damen aus dem Haus der Stadtgeschichte Waiblingen entsprangen viele tolle Ideen – doch gerade im Coronajahr 2020 ist nur schwer abzusehen, welche umsetzbar sein werden und welche nicht. Das erste Projekt, das wir auf jeden Fall durchsetzen können, ist die Apfelkuchenchallenge. (Wie die Kooperation zustande kam und um was es geht, findest du hier).

 

Luise Herzog hat im Laufe ihres Lebens (wie vermutlich jeder, der sich für das Backen oder Essen von Kuchen interessiert) viele Apfelkuchenrezepte getestet. Drei wollen wir der Social-Media-Welt vorstellen. Per Los werden die Rezepte Kristina Krämer, Tanja Wolf und mir zugeteilt und ich bekomme den Apfelkuchen von Tante Pauline.

 

 

Nun habe ich an anderer Stelle schon erwähnt, was die größte Herausforderung beim historischen Backen ist: Kniffe, Grundrezepte und Mengenangaben sind den Leser*innen der historischen Backbücher bekannt, sodass die Autor*innen eine Menge Wissen schon voraussetzen können. Das ist bei gedruckten Backbüchern der Fall und natürlich noch viel stärker bei Handgeschriebenen für den privaten Gebrauch! Luise Herzog benutzte ihr Kochbuch als Gedächtnisstütze – bei manchen Rezepten ist also zusätzliche Recherche notwendig.

 

Ein Running Gag in meiner Familie ist, dass meine Trudl-Oma bei der Frage nach dem Rezept für ihren berühmten böhmischen Knödel immer diktierte: „Ein wenig Mehl, ein bisschen Butter, gerade genug Wasser usw.“

 

Hatte Luise Herzog nicht eine wahnsinnig schöne Handschrift? Siehst du, dass sie nur schreibt "etw. Milch"?
Hatte Luise Herzog nicht eine wahnsinnig schöne Handschrift? Siehst du, dass sie nur schreibt "etw. Milch"?

Ähnliches gilt in diesem Fall wenn Luise Herzog schreibt:

 

350g Mehl, 1 Pfund Butter. Abends von sämtlichem Mehl einen festen Wasserteig gemacht mit etwas Salz und ein Stückchen Butter. Die restliche Butter wird erst andern Tags hineingeschafft.

 

Erster Gedanke: „Was ist wohl ein Wasserteig?“

 

Ich schlage meine treuen Küchenhelfer auf, doch weder das Kiehnle Kochbuch (das Luise Herzog nachweislich auch zuhause stehen hatte) noch das neue Kochbuch von Löffler (das um 1900 sehr verbreitet war) und nicht einmal mein Retter in allen Lebenslagen „Die neuzeitliche Küche“ kennt ein Rezept für einen Wasserteig, an dem ich mich orientieren könnte. 

 

 

„Die fiese Luise bringt mich ganz schön ins Grübeln“

 

 

Es kommt hier also auf mein Vorwissen an, das sicherlich etwas geringer ist als das von Luise Herzog, das mich aber motiviert die genannten Zutaten mit etwas Wasser zu einem, meinem Eindruck nach, „festen“ Teig zu verarbeiten. Dabei orientiere ich mich an der Konsistenz von Mürbteigen.

 

 

Was bedeutet wohl „ein Stückchen Butter“? Was für mich ein kleines Stück ist, kann für jemand anderes ein ausgewachsener Klotz sein. War Luise jemand wie meine Otto-Oma und verwendete immer sehr viel Butter? Oder war sie eher sparsam, da sie als Dame der Gesellschaft auf ihre Linie achtete? Oder war sie eher pragmatisch und nahm einfach ein Stück Butter nach Belieben?

 

Das Cover von Luise Herzogs Backnotizbuch
Das Cover von Luise Herzogs Backnotizbuch

 

Solche Überlegungen zu Beschreibungen und Eigenheiten im Stil erwecken die Person hinter dem Rezept für mich zum Leben.

 

 

Da der Rest der Butter sowieso anderntags dazu kommt, bin ich aber unbekümmert, etwas falsch zu machen. Der Teig ruht über Nacht im Kühlschrank und ich im Bett.

 

 Und siehe: Die Konsistenz des Teiges am nächsten Tag ist super! Den Rest Butter lasse ich also weg, kleide die Backform aus und mach mich an die Füllung.

 

Wie viele Äpfel werden eigentlich benötigt? Ich schaue nochmal nach und stelle fest:

 

Spannenderweise fehlen Äpfel komplett in den Angaben von Luise Herzog.

 

„Meine liebe Luise“, sage ich da laut, „wo warst du denn beim Notieren mit deinen Gedanken? Hast du die Äpfel vergessen?“ 

 

Vermutlich dachte sie sich aber: Da der Kuchen „Apfelkuchen“ heißt, muss die Hauptzutat ja nicht nochmal im Rezept auftauchen. Clever, Luise!

 

 Die Angaben zur Füllung sind zum Glück detaillierter, denn hier unterscheidet sich das Rezept vom Grundrezept und Luise musste die Angaben von Tante Pauline genauestens notieren. Die Füllung macht also den Kuchen zu Tante Paulines Kuchen.

 

 Während ich also nach und nach alle Zutaten zusammenrühre und den Backofen vorheize, überlege ich mir: War Tante Pauline wohl eine nette Tante? Bei welcher Gelegenheit könnte sie Luise Herzog das Rezept übergeben haben? Hat Luise Herzog beim Backen gesungen, wie ich (vermutlich andere Lieder? Solche Überlegungen lassen die historischen Rezepte lebendig werden und machen das besondere an diesen Backtagen aus.

 

 

Ich bin schon gespannt, was Kristina Krämer und Tanja Wolf alles über Luise Herzog in Erfahrung bringen konnten!

 

Das Rezept für den Apfelkuchen findet ihr hier

 

 


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